Der Papst ist in der Stadt. Oder vielmehr: Er kommt heute in die Stadt. Vielleicht ist er schon gelandet, vielleicht als Vogel noch in der Luft, – wohin ihn ja auch der Glaube trägt. Zumindest hat das der Hirte der Hirten, als er nur ein Hirte mit weniger Hirten unter sich war … Als er noch Joseph Ratzinger und Kardinal und fehlbar war, da sagte er in einem Fernsehinterview, der Glaube gäbe ihm das Gefühl ein Vöglein zu sein. »Hoch hinaus, in die Lüfte« sagte er. In der Luft ist er wohl noch. Bald wird er landen, dann nicht mehr als Vogel, sondern als Hirte.
Soll man den Hirten wörtlich oder als Metapher nehmen? Jedenfalls frage ich mich, ob es eigentlich Hirten auf dem Land gibt, die sich organisieren und Hierarchien bilden? Und ich frage mich, ob Schäflein nicht durcheinander kommen, wenn plötzlich so viele Hirten vorhanden sind, die sie behüten wollen?
Wie auch immer — vielleicht ist der Oberhirte schon gelandet. Vielleicht ist der Verkehr schon zum Erliegen gekommen, weil die Schäflein über die Straße müssen. Alles ganz wie auf dem Land. Wenn wir schon bei Schafen sind, ist es auch nicht mehr so weit zum Wolf im Schafspelz, denn unter den Schafen, da könnte auch immer ein Wolf sein. Vielleicht gar einer, der Kreide gefressen hat. Und auch für den Hirten gibt es eine Verwandlung: Dann, wenn der Hirte in seinem Mobil durch die Herde fährt und alle Schäflein ganz durcheinander bringt, dann verfehlt der Hirte nicht nur seine Aufgabe, die Herde zu leiten, sondern er ist dann auch wieder zum Vogel geworden. Diesmal nicht hoch hinaus, in die Lüfte, sondern eher im Käfig:
Ein zartes Vöglein will beschützt sein.
Und manchmal, manchmal muss anscheinend auch die Stadt vor den Schafen und ihren Hirten beschützt werden. Zumindest lässt das die Bekanntgabe der Bayerischen Staatsbibliothek vermuten:
»Am Samstag, den 9. September 2006 muß die Bibliothek wegen des Papstbesuches aus Sicherheitsgründen ganztägig geschlossen bleiben.«
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post scriptum
Nett, daß eine alte und ehrwürdige Institution, wie die Bayerische Staatsbibliothek trotz aller staatlichen Weisung einfach bei der alten Rechtschreibung bleibt. Zumindest schreiben sie »muß«, wie ich hier »daß« geschrieben habe. — Vielleicht eine Form ziviler Ungehorsamkeit?
Ein Kommentar
11:41 Uhr
[…] Sich verselbstständigende Metaphern … Man kann sie nicht nur in der Alltagssprache finden. So ist es beispielsweise befremdlich, wie unpassend die Metapher des Hirten für den Priester ist – zumal, wenn er ein Vogel ist. […]