Alles ist erleuchtet. Es gibt das Buch Jonathan Safran Foers und es gibt (jetzt) auch den Film. Und wie so immer bei Verfilmungen von Klassikern oder Bestsellern, stellt sich die Frage, wie gut die Umsetzung der mächtigen Vorlage gelungen ist. Wenn man den Roman Alles ist erleuchtet aber nicht gelesen hat, bleibt einem nur, den Film als Film zu betrachten, die Verfilmung so zu betrachten, als ob es den Roman nicht gäbe.
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Winterkinder – die schweigende Generation. Ein Film, der an und mit der Erinnerung arbeitet. Wer war Opa? Diese Frage stellt sich Regisseur Jens Schanze. Sein Großvater ist früh gestorben, er hat ihn nicht kennengelernt. Die einzige, die ihn wirklich gekannt hat, ist seine Mutter. Aber sie spricht nicht über ihn.
»Ich möchte gern einen Film machen über unsere Familie und Deinen Vater und unsere Erinnerung an ihn und ich wollte fragen, ob Du da mitmachen möchtest?«
»Ja, soweit meine Erinnerung das zulässt, mach’ ich da mit.«
»Als Andrea das erste Mal nach seiner Tätigkeit zur Zeit des Nationalsozialismus gefragt hat, wie habt ihr da reagiert?«
»Ich hab’ gar nicht reagiert, weil ich das nicht wollte.«
Die schweigende Generation. Jens Schanze fragt weiter. Und immer wieder öffnet sich ein kleiner Riss in der Erinnerung der Mutter, immer wieder bricht die glatte Oberfläche der Kindheitserinnerung, der Erinnerung an Ihren Vater auf. Kaum wächst der Verdacht, dass Jens Schanze Schritt für Schritt jeden Fehler in der Erinnerung seiner Mutter nachweist, wird die Kamera sanfter.
In Winterkinder geht es um die Erinnerung an Großvater und seine gesellschaftliche Rolle im Nationalsozialismus. Und doch ist Winterkinder nicht nur ein weiterer Film, der sich mit der deutschen Geschichte beschäftigt. Winterkinder ist vor allem ein Film über das Erinnern.
Winterkinder. Der Film beginnt im Winter. Unter dem Schneemantel verliert die Landschaft ihre harten, detailreichen Konturen. Ähnlich ist es mit der Zeit, sie hat sich über die Erinnerung an Großvater gelegt. Wenn es wärmer wird schmilzt der Schnee und die verdeckten Details erscheinen wieder. Der Film endet im Sommer. Der Mantel, den die Zeit über die Erinnerung gelegt hat ist (nun) geschmolzen.
Am Schluss, als der Film eigentlich zu Ende ist, arbeitet Jens Schanze zum ersten Mal mit Musik. Musik Erik Saties. Es bleibt ein ruhiger Moment, ein Moment der Stille und des Fragens – vielleicht auch nach der eigenen Erinnerung.
D 2005. R,B,S,P: Jens Schanze. K: Börres Weiffenbach. M: Erik Satie. Tiberius. 99 Min.
Heute Mittag, zwischen Rotkreuzplatz und Sendlinger Tor, in einem Wagen der Linie U1 saß ich an einem Fensterplatz, bei dem der kleine Mülleimer nicht mehr vorhanden war. (Mir ist der fehlende Mülleimer nur aufgefallen, weil ich mir mein Knie im Normalfall mindestens einmal pro Fahrt an dem kleinen eckigen Metallbehälter stoße.) Gegenüber saßen zwei Straßenkehrer auf dem Weg zu einer Betriebsversammlung. Sie sollen in Zukunft länger arbeiten, obwohl sie doch schon jetzt, während der kalten Jahreszeit draußen im Dunklen unterwegs sind. Eine Stunde pro Woche mehr, was ist das schon, könnte man fragen. Man könnte aber auch sagen: Jedes Jahr eine Stunde mehr macht in zehn Jahren zehn Stunden mehr.
Während ich den beiden in ihrer neonorangefarbenen Kleidung lauschte, fuhr der Zug in den Bahnhof am Sendlinger Tor ein. Gerade als ich aufgestanden war, wollte der eine der beiden Straßenkehrer das Papier wegwerfen, in das sein Brot eingepackt war. »Wieso ist denn hier kein Mülleimer mehr?« »Die schrauben jetzt alle Mülleimer aus den U-Bahnen raus, wegen der WM.« Und tatsächlich, was mir zuvor nur beiläufig aufgefallen war entpuppte sich als ‘von oben angeordnete Veränderung’. Auch im Nebenabteil, ja, im ganzen Wagen waren die Mülleimer abgeschraubt.
Mir blieb keine Zeit darüber nachzudenken. Ich hetzte die Treppe hoch, schnell zum anderen Bahnsteig, hineinin die U3. Und der Zug fährt los. Hier, in diesem Wagen waren sie noch, die Mülleimer. Dieser Zug ist ganz offensichtlich noch nicht WM-tauglich. Mülleimer: Das zu Hause der Ausscheidungen unserer Gesellschaft, auch des Terrorismus. Muss ich Angst haben, vor den Mülleimern? Ist dieser Zug weniger sicher als der WM-taugliche?
»Der Terror trift auch uns« titelt die heutige ZEIT. Sie bezieht sich auf die Entführung, und ich beziehe mich auf Mülleimer. Bei wem fährt die Angst mit? Die Angst vor ‘irgendwie eigenartigen’ Rucksäcken, vor einem Menschen, der nicht dick ist, in seinem langen Mantel aber dick aussieht und auch die Angst vor den kleinen eckigen Mülleimern, an den man sich das Knie stößt? Bei wem fährt diese Angst mit, zumindest manchmal, für einen Augenblick?
»Frankreich, große Nation, wieso stehst Du in Flammen?« fragte der Leser des Feuilletons und suchte sofort nach Erklärungen. In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen fand er einen haarsträubenden Kommentar ((Haarsträubend finde ich den Kommentar eigentlich nur deswegen, weil er die politische Realität in Frankreich vollkommen verfehlt. Sarkozy als “Chiracs Innenminister” zu bezeichnen, den Chirac fallen lassen könnte, ist ungefähr so, als ob man Koch als Parteifreund Merkels bezeichnete, den diese einfach fallen lassen könnte …)) , der die Welt wieder ins Lot bringt. Wenn der gute Leser auch seine Ohren benutzen würde, hätte er heute morgen im Deutschlandfunk eine Reportage hören können, die dem Hass eine Stimme gab.
»Sag’ mal, wie findest Du das, was in Frankreich abgeht?« fragte der Freund. Auch er suchte Erklärungen, doch er wusste auch, dass es keine gibt. Frankreich, das Land mit den meisten Touristen weltweit. Frankreich, Land der verspielten Balkongeländer, der Haute-Couture, der Baguettes und der Sonne im Süden, des Cidres und Calvados im Norden. Reims weckt das Bild einer gotischen Kathedrale und vielleicht des Champagners. Aber brennende Autos? – Schon aufgefallen, welche Hautfarbe die Menschen in diesem Bild von Frankreich haben? Und wo sind in diesem idealisierten Bild die Betonwüsten, die der Tourist nur zu Gesicht bekommt, während er auf dem Weg von der Autobahn in die Innenstädte ist?
Viele, die in Frankreich gewohnt haben, kamen zurück und erzählten von einem anderen Frankreich. Sie erzählten davon, dass die französische Sprache eine harte sei (und in keinster Weise “ein irgendwie schwul klingender Singsang”). Sie erzählten von Begegnungen mit der Angst auf der Straße, auch das.
Später als geplant, früher als ich es in den letzten Wochen für möglich hielt, ist hinterwelt.net endlich online. Innerhalb der nächsten zwei Wochen werden die ersten Inhalte (about / etc.) hinzu kommen.
Noch ein klein wenig Geduld braucht es also, bis wirklich die ersten (eigentlichen) Einträge auf dieser Seite zu finden sein werden.
Bis dahin wünsche ich Euch viel Surfvergnügen.