Hinterwelt.net

16. September 2006
Angedacht

Gestern Abend: Glauben tun wir alle, die einen an das eine, die anderen ans andere, so scheint’s zumindest, scheint es mir.
Gestern Abend also über Glauben … Haben wir diskutiert? Nein, diskutiert haben wir nicht, vielmehr uns gegenseitig unserer Sympathie versichert. Weichspülgang, sich beweihräuchern und in der Gruppe gegenseitig selbst bestätigen. Kontrastprogramm, nicht nur zu Richard Dawkins Versuchen (gefunden via philoblog und mario sixtus) in zwei 45minütern im Fernsehen zu zeigen, was schon zu viele versucht haben. Er wollte in „The Root of All Evil?“ (hier erster Teil, zweiter Teil Leider sind die beiden Folgen auf video.google.com und youtube.com nicht mehr vorhanden.) zeigen, weshalb der Glaube nicht gut, vielleicht besser: dumm ist. Etwas dümmlich, fast naiv erschien mir aber vor allem seine Argumentation. Weshalb?


Er hat verschwiegen, dass er im Grunde genommen auch eine Religion vertritt … und im Gegensatz zu den Extremisten, die er in allen Lagern der monotheistischen Religionen ausgemacht und ausgequetscht hat, ist er sich seiner eigenen Position noch nicht einmal bewusst. Daher: Naiv, – sage ich.

Gedankenspiel: Zwei Menschen, die beide gläubig sind und dummerweise je an einen anderen Gott und damit an andere Prinzipien glauben. Beide mit absolutem Anspruch, beide mit dem Anspruch, dass es jenseits dieses Gottes nichts gibt, beide – mit anderen Worten – mit je eigenem Dogma und damit eigenem Denksystem. Beide sind nicht in der Lage miteinander zu kommunizieren und beide werden das Denken (und eben den Glauben) des anderen als „falsch“ bewerten, solange sie sich von ihrem Dogma nicht (zumindest gedanklich) ein klein wenig lösen und versuchen eine gemeinsame Gesprächsebene zu finden.
Was macht nun unser, in seinem Glauben an die Vernunft unerschütterlicher Richard Dawkins? Jenseits seiner Vernunft und der „evidence“, die er in den 90 Minuten, die die Sendungen zusammen dauern, sicherlich zweihundertmal benutzt, gibt es für ihn nichts Gültiges. Die anderen liegen falsch, ganz einfach, ganz schlicht. Nun stellt sich mir die Frage, wie weit er sich dann (in seinem Argumentationsmuster) eigentlich von den Gläubigen unterscheidet? Auch er hat ein Denksystem, ein Denksystem, das Prinzipien folgt und das sich von „außen“ betrachtet nicht von dem der Gläubigen unterscheidet. Wer jetzt sagt: Aber die wissenschaftlichen Beweise und Theorien sind nachvollziehbar, dem muss man entgegnen: Natürlich, wir, die vernunftgläubig sind, denken das, nur die anderen Gläubigen eben nicht … So rennt und reist Herr Dawkins also durch die Welt des Monotheismus und sieht, um die von ihm so viel gescholtene Bibel zu zitieren, den Balken in seinem Auge nicht, weil er so sehr auf die Splitter in den Augen der anderen konzentriert ist. Dawkins ist Dogmatiker, Extremist auf seine Weise. Daher: Dümmlich, – sage ich. Auch wenn ich mit ihm inhaltlich über weite Strecken übereinstimme, eine solche Argumentation hilft niemandem, nichtmal ihm selbst.

Alles in allem, als die zweite Sendung zu Ende geht, bleibt dem guten Vorkämpfer der Vernunft nichts anderes, als mit seinen Kollegen, mit jenen, die seine Lebenswelt teilen, am Ende doch noch ein bisschen zu kuscheln, sich gegenseitig ein bisschen selbst zu beweihräuchern, sich selbst zu bestätigen. Ganz normal, das tun sie in den kleinen und großen Religionsgemeinschaften; das haben wir auch gestern bei Bier getan. Das mache ich immer, wenn ich in einer Gruppe bin: Halt finden und einmal, für ein paar Augenblicke vielleicht sogar Stunden die Unruhe glätten, die die Welt da draußen weckt. Ohne Angst und ohne Verstörung und ohne Erschütterung der eigenen Gewissheit einmal gewiss zu sein. Keine Frage zu stellen, keine Not zur Frage zu haben. Das ist bei den Vernunftgläubigen nicht anders, als bei den Gottgläubigen. Jetzt ein Bier mit Freunden, eben Vertrauten trinken. Und glauben sie mir Herr Dawkins, die Sendungen waren die Mühe nicht wert. Denn die, die ohnehin ihre Meinung teilten, die haben sich bestätigt gefühlt. Und die, die ihre Meinung nicht teilen, fühlen sich in ihrer Meinung auch bestätigt. Ach ja, die Ausgangsfrage: „The Root of All Evil?“ Vielleicht ist eine der Wurzeln, wenn es denn überhaupt sinnvoll ist, die Frage nach einer Wurzel, einem Ursprung zu stellen … vielleicht ist einer der Anfänge des Bösen, wenn man diese Differenzen betoniert, wie es die religiösen Extremisten tun, und wie es (unwissentlich?) Herr Dawkins getan hat. Denn ohne betonierte Gegensätze macht die Unterscheidung von „Gut“ und „Böse“ keinen Sinn. Schön, wenn Kommunikation unmöglich gemacht wird. Lasset uns einkapseln in unsere Welt, dann gibt es auch den monotheistischen Fundamentalismus nicht mehr, bis wieder irgendwo eine Bombe explodiert, dann sind wir wieder verstört und warten auf die nächste Sendung von Richard Dawkins, die uns wieder beruhigt, die uns wieder sagt, dass wir es sind, die Recht haben. Amen.

9 Kommentare

  1. […] Dawkins fundamentaler Fehler ist, dass er auf “Augenhöhe” seiner Hauptgegner, der religiösen Fundamentalisten, bleibt. Was bedeutet, dass er weit unter seinen intellektuellen Möglichkeiten bleibt; man könnte polemisch sagen, im geistigen Tiefflug. Hierzu fand ich, via der Kommentare zu einem ebenfalls lesenswerten Beitrag Raysons Gretchenfrage, persönlich beantwortet – bei ChristianK einen guten Verriss der Fernsehreihe “The Root of All Evil, in der Dawkins seinem aufklärerischen Anspruch nicht so recht gerecht wurde – Bier über Glauben — Richard Dawkins hoffnungsloser Versuch gegen Religion zu argumentieren. […]

  2. Achrist

    Das Problem ist, dass die menschliche Natur eine Vereinfachung der Komplexität des Universums sucht, religion vereinfacht diese fragen und behauptet die Lösung dieser Sinnfrage zu sein in dem Sie sagt, Du lebst um deinem Gott zu huldigen. Zweifel = Sünde =Aua in der Hölle. Von Generation zu Generation wird weiter getauft, beschnitten, und gesegnet was das Zeug hält. Dawkins weckt zumindest einige träge Geister, die angepassten “Gutmenschen” die der Form halber ihre Kinder taufen lassen ein kleinwenig auf. Glauben Sie an eine “Vorhölle”? Ist Weihwasser etwas anderes als Wasser? Zum Islam frage ich erst garnicht. Wir leben scheinbar immer noch im Mittelalter, eine humane Weltanschauung hat jede Religion für sich gepachtet, für einige ist das Jenseits wichtiger als das Diesseits und sie leben (wirklich!) nur in der Hoffnung auf ein besseres dasein “dannach”… “This couldt be heaven for everyone” – wenn mann ein Leben nach dem Tode rigoros ausschließt, würden sich dann nicht alle im Diesseits um ein besseres Miteinander bemühen?

  3. Das Problem ist, dass die menschliche Natur eine Vereinfachung der Komplexität des Universums sucht, religion vereinfacht diese fragen

    Es mag etwas ruppig klingen, aber kann es sein, dass Du hier Religion auf die gleiche Art vereinfachst, um sie begrifflich auf ein “Du lebst um Deinem Gott zu huldigen” reduzieren zu können?

  4. F. Venator

    Dass Religiöse verstört werden von dem, was Dawkins sagt, ist ja verständlich. Aber er begründet doch excellent, oder? Lest, ihr Frommen, ruhig sein Buch “Gotteswahn”. Ihr erkennt euch wieder, werdet es aber nicht zugeben.
    Ihn naiv, dümmlich gar zu nennen, ist Hinterwäldlerisch. Passt ja.
    F.Venator

  5. @Venator: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Bevor Du hier rumpöbelst, solltest Du vielleicht erstmal lesen, was da geschrieben steht. Und dann wirst Du sehr schnell feststellen, dass ich inhaltlich überhaupt nicht gegen ihn argumentiere, dann wirst Du auch feststellen, dass hier jemand schreibt, der alles andere als fromm ist, und dann wirst Du auch feststellen, weshalb ich behaupte, dass seine Argumentation naiv und dümmlich ist.

    Ganz nebenbei: Dass “hinterwäldlerisch” neben dem ähnlichen Klang nichts mit “hinterweltlerisch” zu tun hat, ist noch so ein Detail am Rande …

    Wieso kommentierst Du eigentlich einen Beitrag, den Du nicht gelesen hast?

  6. Razor

    Extrem dümmlich ist dieser gesamte Beitrag!
    Ich würde vorschlagen Ihr lest doch erst einmal das Buch des Herrn Dawkins! Hoffentlich gehen Euch dann die Augen noch auf.

  7. Gut, wir können das Spiel so jetzt natürlich noch lustig und lange weiter treiben. Nur irgendwann wird’s dann wohl auch fad.

    Du könntest mir allerdings verraten, wieso ich das Buch von Dawkins lesen soll, um eine Reportage, die auf der BBC lief zu beurteilen. Das wird Dir wahrscheinlich schon aufgefallen sein, dass es hier um diese BBC-Doku von ihm geht?

    Hoffentlich gehen Euch dann die Augen noch auf.

    Den Satz hätte ich jetzt eher von einem Religionsanhänger erwartet ^^

  8. Hartmut Slomski

    Wenn ein Mensch unter einer Wahnvorstellung leidet, dann nennt man es Geisteskrankheit. Wenn viele Menschen unter gleicher Wahnvorstellung leiden, dann nennt man es Religion. Atheisten sind die einzigen Menschen, die nicht dem Wahnsinn verfallen sind.

  9. Das Problem ist, dass die menschliche Natur eine Vereinfachung der Komplexität des Universums sucht, religion vereinfacht diese fragen und behauptet die Lösung dieser Sinnfrage zu sein in dem Sie sagt, Du lebst um deinem Gott zu huldigen. Zweifel = Sünde =Aua in der Hölle. Von Generation zu Generation wird weiter getauft, beschnitten, und gesegnet was das Zeug hält. Dawkins weckt zumindest einige träge Geister, die angepassten "Gutmenschen" die der Form halber ihre Kinder taufen lassen ein kleinwenig auf. Glauben Sie an eine "Vorhölle"? Ist Weihwasser etwas anderes als Wasser? Zum Islam frage ich erst garnicht. Wir leben scheinbar immer noch im Mittelalter, eine humane Weltanschauung hat jede Religion für sich gepachtet, für einige ist das Jenseits wichtiger als das Diesseits und sie leben (wirklich!) nur in der Hoffnung auf ein besseres dasein "dannach"… "This couldt be heaven for everyone" – wenn mann ein Leben nach dem Tode rigoros ausschließt, würden sich dann nicht alle im Diesseits um ein besseres Miteinander bemühen?…

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