Hinterwelt.net

28. September 2008
Film

Zeit des dunklen Ritters, wenn die Welt schön explodiert und dunkel ins Chaos stürzt. Ein Chaos, das nicht hereinbrechende Apokalypse ist, sondern aus dem Fundament hervorkriechende Sinnlosigkeit. Sinnlosigkeit, die eben nur dann erscheint, wenn das Erklärungsmuster nicht mehr greift und die Zuschreibung von Sinn fehlschlägt; wenn eben das verloren geht, was die Gesellschaft Gotham Citys im Fundament verbindet.

Wenn Joker während eines Banküberfalls auf überraschende Weise dafür sorgt, dass der Beuteanteil seiner Komplizen gen Null geht, obwohl er nicht am Geld interessiert ist, dann betritt ein Schurke die Leinwand, der das Muster auflöst, mit dem wir Schurken auf der Leinwand begreifen. Ein Schurke, der uns nicht den Gefallen tut, lediglich Gegner im Spiel zu sein, der nicht der Logik der Ökonomie folgt, der nicht homo oeconomicus, sondern ein anderer ist. Allem Anschein nach sollte Joker ein anderer sein.

Vor diesem Hintergrund wird eine Nähe zu Filmen wie No Country for Old Men oder Eastern Promises unterstellt. Das Verstörende dieser Filme liegt nicht so sehr in ihrer rohen Darstellung der Gewalt, als vielmehr im Verlust des Eindeutigen: Unmöglichkeit eines Verstehens ohne Rest. Auch Unmöglichkeit den gestrickten Plot aufzutrennen, um dann endlich den ununterbrochenen Faden von Ursachen und ihren Wirkungen vor sich zu haben.

No Country for Old Men und Eastern Promises sind nicht gebrochene Filme, sondern Filme, die den Zuschauer mit einer ähnlichen Verstörung alleine lassen, wie die Lebenswirklichkeit auch. Bei aller unterstellten Nähe zu diesen Filmen, Dark Knight kann diese Verstörung nicht im Ansatz auf die Leinwand projizieren.

Weshalb es beinahe gelungen wäre, lässt sich an Heath Ledgers Joker zeigen. Weshalb es nicht im Ansatz funktioniert, zeigt sich in seiner Einbettung in den Rest des Films. Dass Heath Ledgers Umsetzung des Jokers auf visueller Ebene großartig ist, wurde schon geschrieben. Und so waghalsig eine Interpretation sein mag, die eine direkte Verbindung zwischen Filmrolle und unerwartetem Tod herstellt, so zwingend erscheint sie mir. Nicht, weil sich die Rolle des Jokers auf Heath Ledger auswirkte, sondern weil sich die Rezeption des Jokers nicht vom Tod Heath Ledgers frei machen kann. Der posthume Auftritt eines Schauspielers ist unheimlich. Wie schon Brandon Lees Auftritt in The Crow umgibt auch Heath Ledger in Dark Knight die Aura des Wiedergängers.

Was macht aber der Film aus dem Auftritt dieses großartigen Schurken? Während der ersten Filmminuten scheint wirklich ein Bösewicht aufzutreten, der aus den uns gewohnten Erklärungsmustern fällt. Das einzige Wort zur Beschreibung, das in den ersten Momenten bleibt, ist “böse” — dieses Wort, das immer bemüht wird, wenn nicht mehr gewiss ist, wie mit dem umgehen, das da vor uns tritt.

Es dauert nur kurz, bis der Film abbricht, bis alle anfangen in Vater-Sohn-Dialogen zu erklären, was falsch ist, an diesem Joker. Was ihn so böse macht. Weshalb er so agiert, wie er agiert. Jeder Zug des unbekannten Spielers wird noch im Film in eine Handlungslogik gepresst, die keine Verunsicherung mehr zulässt. Im Augenblick als die Welt begriffen ist, ist klar, wie die Geschichte zu Ende geht. Schlimmer noch: Den Bildern ist ihre Kraft genommen. Sie werden zur bloßen Dekoration der Worte. So verstörend Joker ist, so harmlos wird er durch das Wort, das sich über sein Bild schiebt und als wahr sprechender Kommentar Bedeutung gibt.

Bei Dark Knight dauert es fast noch zwei Stunden, bis man von der Abfolge hübscher Explosionen befreit wird. Im letzten Bild, selbst noch im Augenblick des Rücktritts des gebrochenen Helden, erklärt der Vater dem Sohn, wieso es so ist, wie es ist. Mehr noch: Wieso es gut ist, wie es ist. Das alte Beruhigungsmittel, das das Wort an den Anfang setzt und Sinn stiftet, verdrängt die Offenheit des Bildes – und hinterlässt einen Film, der bestenfalls harmlos ist, weil seine Bilder das sprechen verlernt haben.

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