Winterkinder – die schweigende Generation. Ein Film, der an und mit der Erinnerung arbeitet. Wer war Opa? Diese Frage stellt sich Regisseur Jens Schanze. Sein Großvater ist früh gestorben, er hat ihn nicht kennengelernt. Die einzige, die ihn wirklich gekannt hat, ist seine Mutter. Aber sie spricht nicht über ihn.
»Ich möchte gern einen Film machen über unsere Familie und Deinen Vater und unsere Erinnerung an ihn und ich wollte fragen, ob Du da mitmachen möchtest?«
»Ja, soweit meine Erinnerung das zulässt, mach’ ich da mit.«
»Als Andrea das erste Mal nach seiner Tätigkeit zur Zeit des Nationalsozialismus gefragt hat, wie habt ihr da reagiert?«
»Ich hab’ gar nicht reagiert, weil ich das nicht wollte.«
Die schweigende Generation. Jens Schanze fragt weiter. Und immer wieder öffnet sich ein kleiner Riss in der Erinnerung der Mutter, immer wieder bricht die glatte Oberfläche der Kindheitserinnerung, der Erinnerung an Ihren Vater auf. Kaum wächst der Verdacht, dass Jens Schanze Schritt für Schritt jeden Fehler in der Erinnerung seiner Mutter nachweist, wird die Kamera sanfter.
In Winterkinder geht es um die Erinnerung an Großvater und seine gesellschaftliche Rolle im Nationalsozialismus. Und doch ist Winterkinder nicht nur ein weiterer Film, der sich mit der deutschen Geschichte beschäftigt. Winterkinder ist vor allem ein Film über das Erinnern.
Winterkinder. Der Film beginnt im Winter. Unter dem Schneemantel verliert die Landschaft ihre harten, detailreichen Konturen. Ähnlich ist es mit der Zeit, sie hat sich über die Erinnerung an Großvater gelegt. Wenn es wärmer wird schmilzt der Schnee und die verdeckten Details erscheinen wieder. Der Film endet im Sommer. Der Mantel, den die Zeit über die Erinnerung gelegt hat ist (nun) geschmolzen.
Am Schluss, als der Film eigentlich zu Ende ist, arbeitet Jens Schanze zum ersten Mal mit Musik. Musik Erik Saties. Es bleibt ein ruhiger Moment, ein Moment der Stille und des Fragens – vielleicht auch nach der eigenen Erinnerung.
D 2005. R,B,S,P: Jens Schanze. K: Börres Weiffenbach. M: Erik Satie. Tiberius. 99 Min.